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Zebramuffins, rosa Gerbera und was sonst noch war.

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Unser Drumrum heute gestern.

Vorher: Das Kind wählt als Mitbringsel rosa Gerbera aus. Nicht gerade meine Lieblingsblumen, aber es muss ja nicht mir gefallen und ausser dem Kind doch niemandem auf dieser Welt.

Danach: Ein Zebramuffin in einer Filiale eines Kaffeedingens-ihr-wisst-schon. Und Heisse Schokolade mit “können Sie da auch Milchschaum drauf machen?”-viel Milchschaum von einer tollen, lieben Heiße-Schokolade-Verkäuferin. Und weil man ja nie weiss, wer hier so seine Nase reinsteckt: Liebe Schokoladenmilchschaumwunscherfüllerverkäuferin in N. am Bahnhof plus Team: Ihr habt uns einen guten Moment gemacht mit dem lauten Lachen über unsere Bestellung. Wenn man von einem Grab kommt ist Lachen mit fremden Leuten sehr erleichternd. Das konntet ihr nicht wissen. Trotzdem und deswegen:
Dankeschön.

Noch mehr danach saßen wir dann im Zug. Musik für beide, und ein Buch für Mini und therapeutisches Stricken für mich. Wieder einkehrende Ruhe. Entspannung. Ganz anders als auf der Hinfahrt, da konnte ich nicht stricken, da konnten wir beide nix ausser ihren Kopf auf meinem Schoß kraulen und warten was kommt.

Den Plan haben wir exekutiert.
Wir waren am Grab und es war okay. Es war rund im Eckigen. Und ja, wir mussten suchen. Es hat mich kaum gewundert, dass meine Wahrnehmung an dem Tag als wir hier zum letzten Mal gewesen sind doch einiges herausgefiltert hat. Aber den Weg, den wir, den die Kinder und ich zuerst gehen mussten, hinter diesem Sarg, den sind wir auch heute dann doch gelaufen und dann war der Blick für den Ort den wir suchten auch wieder da. So kamen wir also an, und es stand auch ein Name drauf. Wenngleich sich noch niemand die Mühe gemacht hat, seinen Namen anzubringen. Ich frage mich beim Schreiben gerade ob das meine Aufgabe ist und was sowas eigentlich kostet. Das Kind hat sich daran aber nicht gestört. Fällt mir auch grad auf.

Rosa Gerbera auf die Platte legen. Einen Schritt zurücktreten. Einen kleinen. So, dass die Kinderfinger den Stein noch berühren. Tuchfühlung.

Ein bischen da stehen. Das Kind im Arm. Dann das weinende Kind im Arm.
Der Versuch, eine Kerze aufzutreiben fürs Kerzenhäuserl scheitert.
Dann auch keine Lust mehr. Keine Lust, in das Blumengeschäft zu gehen, keine Lust auf Leute.
Das mitgebrachte Foto erst an die Blumen stecken. Und dann, damit es etwas besser geschützt ist, nicht wegweht und sich nicht gleich auflöst es unkonventionellerweise in das Lichthäuserl stellen. Ist egal. Ausser uns wird wohl kaum jemand hinkommen.
Ihre Bitte, Fotos zu machen.
Noch ein bischen rumstehen. Das ernüchternde Gefühl in mir kommt auf, dass man an Gräbern eben einfach auch nicht viel machen kann. Zumal nicht, wenn es eisekalt ist und die ganze Anlage auch keinen Raum für gärtnerische Gestaltung lässt. Wie ich sagte: Steinplatten, sehr dick und massiv. Gehen dem Kind bis zur Hüfte fast. Ob das daher kommt, dass man die Pestopfer möglichst sicher einschliessen wollte?
Ich frage das Kind, was grad in seinem kleinen Kopf vorgeht. “Nicht viel” sagt es.
Und nach einem Weilchen sagt das Kind, dass es jetzt reicht. Es ihm jetzt reicht. Weil nicht alles hochkommen soll. Weil an der Beerdigung, da kam alles und das war zu viel und jetzt soll nur so viel kommen, dass es keine Alpträume bekommt.
Also sind wir dann gegangen.

Auf der Rückfahrt denke ich an Vieles. Auch an den Tag, an dem ich von seinem Tod erfahren habe. Das war ein grauenhafter Tag. Zwischenmenschliche Trümmerhaufen, meine eigene Zerrissenheit und schmerzhafteste Wünsche lagen ausgebreitet auf einem Tisch und ich habe das erste Mal in meinem Leben beim bloßen Anblick einer Person geweint. Und zwar schon lange, lange, lange bevor mich der Anruf erreichte. Ich musste dran denken, weil ich an dem Tag in einer Filiale der gleichen Kaffe-Kette war. Und dort gesessen und zum Fenster raus geheult habe weil ich meinem Gesprächspartner nicht in die Augen sehen konnte vor Enttäuschung und Traurigkeit. Und dieser Gesprächspartner hat mich trösten wollen indem er darauf verwies, dass es heute nicht schlimmer werden könne. Und ich versicherte ihm zum Abschied, es könne. Und es kam.

Manchmal sind die Dinge verrückt. So auch heute.
Meistens habe ich das Gefühl, das ist schon okay.
So auch heute.

Auf dass es morgen noch genau so ist.


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